Pressemeldung vom 30.06.2016 Gablonzer Industrie aktuell =========================== Auszug aus der Rede "Gablonzer Industrie aktuell" in der Generalversammlung des Bundesverbands der Gablonzer Industrie am 29.Juni 2016, von Thomas Hübner, Vorstandsvorsitzender: "Zunächst möchte ich einige allgemeine Überlegungen zur Gablonzer Industrie anstellen: Alle Mitglieder zusammen stellen nach wie vor über 1.300 Arbeitsplätze, davon mehr als die Hälfte im Stadtgebiet Kaufbeuren. Hinzu kommen noch etwa 400 Heimarbeiter, die ebenfalls in der Gablonzer Industrie beschäftigt werden. An diesen Zahlen sehen Sie, dass wir nach wie vor einer der bedeutendsten Wirtschaftsfaktoren des Allgäu sind. Sie wissen selber, dass diese Zahlen uns nicht in den Schoss fallen. Wir müssen alle jeden Tage einen guten Job machen, um im Wettbewerb zu bestehen. Dazu leistet der Bundesverband auch seinen Beitrag. Damit meine ich nicht nur Öffentlichkeitsarbeit, Rechtsauskünfte und Anfragevermittlung, Fachinformationen und Schulungen. Der Bundesverband leistet zum Beispiel auch Unterstützung mit seinem Tarifwesen, das für Sie entwickelt wird. Unser Tarifwesen lässt gestalterische Spielräume für unternehmensspezifische Gestaltungen, weil unsere Industrie in sich zu heterogen ist. Die Anforderungen lassen sich nicht vereinheitlichen. Die Freiheiten sind ein wichtiger Beitrag des Bundesverbands, unsere Industrie, trotz ihrer arbeitsintensiven Produktionsabläufe, konkurrenzfähig zu halten. Und zwar sowohl im Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter als auch im Wettbewerb der Warenmärkte. Tagtäglich konkurrieren wir hier in der Region mit anderen Arbeitgebern. Und deshalb müssen und wollen wir attraktive Arbeitsbedingungen bieten. Enge Mitarbeiterbindung, lange Beschäftigungsverhältnisse, offener Umgang in den Betrieben, Weiterqualifizierungen, angemessene Entgelte - oder auch mal etwas ganz anderes: Die konkreten Antworten sehen in jedem Betrieb anders aus. Ich bin der Überzeugung, dass die Gablonzer Industrie ein attraktiver Arbeitgeber ist. Das sehen wir übrigens nicht alleine so. Diese Sicht haben auch die Gewerkschafts- und Arbeitnehmervertreter bestätigt. Dann möchte ich nun Ihre Aufmerksamkeit auf die wirtschaftliche Entwicklung der Gablonzer Industrie im letzten Jahr lenken. Das Ergebnis unserer Betriebserhebung ist eindeutig positiv. Die Auswertung der zurückgeschickten Erhebungskarten ergab einen Anstieg des Gesamtumsatzes um + 9,1 %! Damit klettert der Gesamtumsatz statistisch wieder auf fast 253 Mio. Euro. Ich bin davon überzeugt, dass das ein sehr gutes Ergebnis ist und wir das als Bestätigung unseres Einsatzes als Unternehmer werten dürfen. Bei genauerer Betrachtung ergibt sich ein unerwartetes Bild: Die beiden Hauptgeschäftsfelder haben sich wieder eindeutig positiv entwickelt. Das Geschäftsfeld Technik hat nach unserer Auswertung eine gute Entwicklung erlebt und sich um 9,3 % verbessert. Genauso konnte das Geschäftsfeld Schmuck ebenfalls ein klares Umsatzplus von immerhin 7,6 % verzeichnen. Das Ergebnis hat uns überrascht, weil wir eine andere Wahrnehmung hatten: Schwierige Auftragslage, Neuausrichtung der Marktplätze, Umsatzrückgang und hohe Belastungen nicht zuletzt durch REACH, Produktsicherheitsgesetz u.a. Vor diesem Hintergrund sehen wir in dem guten Ergebnis noch keine Trendwende für den Schmucksektor. Viel mehr befinden sich die Schmuckerzeuger der Gablonzer Industrie seit Jahren unter einem enormen Wettbewerbsdruck. Die jährlichen Betriebserhebungen des Bundesverbands zeigen deutlich, dass sich das Geschäftsfeld Modeschmuck seit vielen Jahren unterdurchschnittlich entwickelt. Diese Entwicklung konnte - bezogen auf die Gesamtindustrie - durch gute Jahresergebnisse in den technischen Geschäftsfeldern ausgeglichen werden. Diese Grafik zeigt die Umsatzentwicklung im Geschäftsfeld Schmuck seit 2005. Legt man der Betrachtung den Umsatz des Jahres 2005 als Ausgangswert zugrunde, dann entspricht der Umsatz im Jahr 2016 nur noch 66 Prozent des Wertes von 2005. Nach wie vor wird Modeschmuck in Handarbeit hergestellt. Im Vergleich mit anderen Produkten ist deshalb der Anteil der Lohnkosten an den Stückkosten überdurchschnittliche hoch. Aus diesem Grund beeinflusst das Entgeltniveau unmittelbar die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Schmuckerzeuger auf allen internationalen Märkten. Umsatzsatzrückgänge bedingen weniger verarbeitetes Material und geringe Abnahmemengen führen zu höheren Materialpreisen. Diese Wechselwirkung verstärkt den negativen Trend und belastet die wirtschaftliche Situation der Unternehmen nachhaltig. Auch ein weiterer Aspekt macht uns nachdenklich: Von den Schmuck erzeugenden Unternehmen wurden in den letzten Jahren einige geschlossen. Die Gründe waren durchaus verschieden, aber das Ergebnis bleibt gleich. Allerdings gibt es in jüngerer Zeit auch Beispiele für erfolgreiche Unternehmensübergaben und Unternehmensneugründungen. Oft sind neue Unternehmen zunächst sehr kleine Betriebe mit einer kunsthandwerklichen Ausrichtung. Dennoch freuen wir uns über den „Nachwuchs“ und wünschen allen nicht nur Können und Ausdauer sondern auch das notwendige Quäntchen Glück, das zum Erfolg auch dazu gehört. Abschließend möchte ich - wie jedes Jahr - darauf hinweisen, dass diese Auswertung nichts über die Ertragssituation eines Unternehmens aussagt. Umsatzzuwächse helfen zwar, die neuen Herausforderungen zu meistern und notwendige Investitionen zu finanzieren. Aber Gewinne lassen sich daraus nicht automatisch ableiten. Außerdem ist eine Vergleichbarkeit der Unternehmen sehr schwierig. Meine Aussagen stellen eine allgemeine Einschätzung der aktuellen Situation dar. Die Trends ergeben sich nach Auswertung der von den Mitgliedern zur Verfügung gestellten Daten. Rückschlüsse auf die konkrete geschäftliche Situation einzelner Unternehmen abzuleiten, ist deshalb nicht möglich. Damit schließe ich nun den Tagesordnungspunkt 3, Geschäftsbericht und Gablonzer Industrie aktuell. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!"